Sonnabends ist es normalerweise ruhig auf Thüringens Straßen. Wer abends um 10 auf der A4 unterwegs ist, hat in der Regel freie Fahrt. Letztes Wochenende war das etwas anders. Bei heiterem Himmel und ohne ersichtlichen Grund wurde die A4 zwischen Gotha und Erfurt gesperrt. Klaus war gerade unterwegs zu seinem Zweitjob als Diskokugel, als er von der Sperrung überrascht wurde. Klaus wurde auf eine Umleitung geschickt. Das passte ihm natürlich überhaupt nicht. Außerdem war er neugierig und wollte sehen, was da los war. Er verließ also die vorgeschlagene Umleitung. Beziehungsweise versuchte er es. Auf der Straße, die er einschlagen wollte stand ein Polizeifahrzeug aus dem zwei völlig überdrehte Polizisten heraussprangen, die wild mit ihrer Kelle umherfuchtelten als würde man geradezu auf eine eingestürzte Brücke zufahren. Klaus ließ sich erst einmal nicht beeindrucken und fuhr direkt auf die Beamten zu.
Diese waren sogar in der Lage, ihre Hektik und ihr Fuchteln noch weiter zu steigern. „Was ist denn los hier?“ fragte Klaus, als er direkt vor ihnen stand. Man merkte ihre Erleichterung an, dass Klaus zum Stehen gekommen war. „Hier ist heute gesperrt. Sie können hier nicht lang.“ Kam als Antwort zurück. „Ja was ist denn los?“ hakte Klaus noch einmal nach. Die Polizisten blieben verschlossen und schlugen noch verschiedene Umleitungsstrecken vor. Klaus Neugier war nun vollends geweckt. Selbstverständlich schlug er keine der vorgeschlagenen Umleitungen ein, sondern suchte sich einen anderen Weg in die verbotene Zone. Als er auf einen schmalen Pfad bei Cobstädt einbog, fanden sich merkwürdig viele Autos am Rand, die ein Durchfahren deutlich erschwerten. Klaus sprach einen der Stehenden an und wiederholte seine Frage, was nun da los sei. Als Antwort erhielt er, dass die drei Burgen gleich in Brand gesetzt werden um an ein Ereignis aus dem Jahr 1231 zu erinnern. Damals wurden alle drei Burgen während eines Gewitters gleichzeitig in Brand gesetzt, was schließlich den Namen „Drei Gleichen“ begründete. Das klang interessant. Klaus beschloss sich ins Zentrum des Geschehens vorzukämpfen. Schon ab Wandersleben war an ein Parken nicht mehr zu denken. Doch am Fuße der Mühlburg ergab sich dann doch eine Gelegenheit und Klaus konnte dem Schauspiel beiwohnen. Zumindest eine Weile. Er sah noch wie in der Mühlburg das Feuer ausbrach, als es plötzlich einen lauten Knall gab. Völlig geblendet und mit einem Pfeifen im Ohr viel er in den Straßengraben und war wie benommen. Als er wieder zu sich kam, rieb er sich die Augen und musste feststellen, dass die Burg in alter Größe stand, sich aber seine Umgebung völlig geändert hatte. „Wo bin ich?“ fragte er, ohne wirklich zu wissen, ob ihn jemand hört. Da griff ihn eine Hand und hob ihn aus dem Graben. „Was bist du denn?“ fragte das Mädchen, das zur Hand gehörte. „Ich hab zuerst gefragt!“ antwortete Klaus. „In Mühlberg bist du, was unschwer an der Mühlburg da oben zu erkennen ist. Und jetzt du!“ „Ich bin ein Kloß, wie unschwer an meiner Form zu erkennen ist.“ „Ach, du bist also ein Kloß. Ich hab ja schon einige gesehen, aber noch keinen mit einem Mund“ „Na dann wird es ja Zeit. Wir sind also in Mühlberg, na gut. Aber wieso sieht hier alles so anders aus?“ wunderte sich Klaus. „Also hier hat sich die letzten 15 Jahre nicht viel verändert. Ich war 1827 mit meinem Onkel erstmals hier und da sah alles ganz genauso aus.“ Sagte das Mädchen. „1827???“ erschrak sich Klaus. „Dann haben wir jetzt 1842 oder was?“ „Na was denn sonst?“ fragte das Mädchen. Klaus wurde schwefelbleich. Zwar hat er bereits Erfahrungen mit Zeitreisen machen können, aber dazu braucht man in aller Regel eine Zeitmaschine. Und jetzt war gerade keine zur Hand. Er schien irgendwie gestrandet zu sein. In sein Schicksal fügend stellte er sich dem Mädchen mit vollem Namen vor. Sie nannte daraufhin auch ihren Namen: „Ich heiße Johanne.“ „Du musst mir irgendwie helfen, hier wieder wegzukommen!“ „Wo willst du denn hin?“ „Nach Hause“ antwortete Klaus. „Soso, da kann ich dir auch nicht helfen.“ „Doch, ich kenn hier schließlich niemanden.“ „Du kannst mit mir nach Arnstadt kommen.“ Eine gute Idee, dachte sich Klaus. Arnstadt ist ja schließlich die Stadt seiner Wiedergeburt. Dort gehe ich in das Brauhaus und hinterlasse eine Nachricht, dass mich ein Zeitstrahl hier abholen soll. Aber Moment… Gibt es das Gebäude 1842 schon? Vermutlich nicht. „Ich suche ein Haus mit langer Tradition in Arnstadt. Fällt dir da etwas ein?“ „Natürlich, die Goldene Henne, das ist das beste Haus in der Stadt.“ antwortete Johanne. „Das klingt gut. Lass uns dort hingehen.“ erwiderte Klaus. Johanne legte ihn in den Korb und ging los. Nach etwa eineinhalb Stunden kamen sie in der Goldenen Henne an. Johanne hatte nicht zuviel versprochen. Es war das beste Haus am Platz. Unterwegs deutete sie bereits an, dass auch die Bachs sich dort ab und zu getroffen haben und viele hohe Herren dort ein- und ausgehen. „Ich hab eine Idee!“ sagte Klaus. „Du hast doch hier in deinem Korb ein Büchlein liegen mit einigen Rezepten. Wir machen auf uns aufmerksam, indem wir auch ein paar exotisch abgewandelte Rezepte zu Thüringer Klößen aufnehmen. Das wird man später ganz sicher finden und sich wundern, warum die so komisch aussehen. Und wenn wir noch Zeit und Ort codieren, wird man später genau wissen, wie man mich finden kann. Ich gehe in den Keller der Goldenen Henne. Es ist der 21. August 1842.“ Brav schrieb Johanne die diktierten Zeilen in ihr Büchlein. Klaus verabschiedete sich von ihr und ging etwas ungläubig aber hoffnungsvoll in den Keller. Dort war es sehr beengt und die Vorräte stapelten sich beiderseits der engen Gänge. Dunkel und ungemütlich war es hier. Er legte sich auf eine Kiste Kartoffeln und schlief ein. Als er aufwachte, erkannte er den Keller grob wieder. Doch war dieser jetzt aufgeräumter und in ein warmes Licht getaucht.