Mit dem Kloßexpress durch Heichelheim

Samstag, den 14. Juli 2012 um 21:12 Uhr
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heichelheimi-15.jpg Vor einiger Zeit war Klaus sentimental zumute. Er dachte über die Zukunft und die Vergangenheit der Thüringer Klöße nach. Was passt da besser als ein Kloßmuseum? Viel hatte er schon gehört über ein Museum in der Nähe von Weimar, in dem sich alles um den Kloß dreht. Nicht zuletzt in Großbreitenbach wurde er darauf hingewiesen, dass einige der Exponate aus dem Kloßpressenmuseum nach Heichelheim ausgeliehen sind. Also beschloss er sich auf den Weg zu machen und mehr über seine Artgenossen zu erfahren.

Wer nach Heichelheim kommt, will genau hier her. Durchreisende gibt es nicht, denn Durchreisen ist nicht möglich. Das macht Heichelheim, das idyllisch am Fuße des Ettersberges liegt, zu einem sehr ruhigen Örtchen. Dennoch ist es Thüringenweit bekannt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Thüringer Kloß-Welt mit dem Kloßmuseum. Sehr dominant prägt die Kloß-Welt das Dorf und wenn man Heichelheim einmal gefunden hat, kann man die Kloß-Welt nicht verfehlen. Also fand auch Klaus dahin. Als er vor dem Eingang stand, traute er seinen Augen kaum. Er konnte sich kaum erinnern, die hier aufgerufenen Preise für Gulasch oder Rouladen mit Klößen je gesehen zu haben. Schwer beeindruckt wollte er zur Tür hinein gehen. Doch was war das? Für Klöße gab es offenbar eine bevorzugte Behandlung. Die müssen nicht gehen. Für Klöße wurde hier eigens ein öffentliches Verkehrsmittel installiert - Der Thüringer Kloß-Express. „Das ist ja eine feine Sache“, dachte sich Klaus. „Hier kann ich gemütlich in den Zug einsteigen und in aller Ruhe die Höhepunkte der Kloß-Welt an mir vorbeiziehen lassen.“ Gesagt, getan. Ein Zug extra für Klöße. Klaus kam ins Grübeln. „Offenbar ist das eine Pilgerstätte für Klöße, vielleicht sind ja noch mehr Klöße hier, wenn man eine so aufwändige Einrichtung für den Kloßtransport baut?“ Klaus stieg ein und begann die Fahrt. Die erste Station war das Café "Klößchen“. Das war gut besucht mit ein paar Gästen aus Sachsen, die sich sichtlich freuten, hier auch für sie bekannte Traditionsgerichte gefunden zu haben. Sie aßen nämlich Quarkkeulchen mit Apfelmus. Die zweite Station war der Werksverkauf. Alles was hier hergestellt wird, kann man hier auch kaufen, bloß günstiger. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Waren anderer Thüringer Hersteller. Auf der linken Seite zog die Kinder-Kloß-Welt an Klaus vorbei. Hier nahm er sich vor, in der nächsten Runde mal abzuspringen und sie genauer in Augenschein zu nehmen. Vorbei an allerlei Literatur zum Thema und an Plakaten der Olsenbande tauchte im Regal ein bekannter Form-Materialmix auf. Ohne Zweifel, da saßen Plüschklöße im Regal. Bei Klaus stieg die Spannung. Endlich wieder Artgenossen zum Reden. Der Zug fuhr weiter an der Theke vorbei in Richtung Ausgang. Klaus blieb sitzen und beschloss in der nächsten Runde mal genauer hinzusehen. Für die anderen Attraktionen hatte er nun keinen Blick mehr. Bei der Anfahrt auf das Regal konzentrierte er sich. Und tatsächlich. Im Regal saß ein alter Bekannter. Klaus fuhr noch eine Runde und sprang dann im rechten Moment ab.

„Mensch Kuschel, du bist ja auch da, ich bin begeistert!“

„Hmm Hmm mmhh.“

„Ach, und einen Mund hast du immer noch nicht…“

„Hmm hhhn.“

„Das Gespräch kommt mir irgendwie bekannt vor…““

„Hhmmm hhm.“

„Jaja, du warst wiedermal vor mir hier. Ich gratuliere.“

„Hmm hmmm mmmh.“

„Wie jetzt Museumsstück?“

„Hmm hmmm mmhhnmh.“

„Du hast einen Platz direkt neben dem Trauerkloß im Museum oben? Ja was machst du dann hier? Geh ruhig hoch, ich halt dir den Regalplatz so lange warm.“

„Hmm hhmmhhhn.“

„Du solltest dich schon mal entscheiden, was du willst…Wenn du zwei Dinge auf einmal machst, machst du keines richtig. Aber lass mich erst einmal in das Museum kucken, vielleicht nehme ich ja auch den Platz…“

Klaus stieg in die obere Etage zum Thüringer Kloßmuseum auf. Das erste, was ihn schwer beeindruckte, war eine Kloßhebevorrichtung, die einst den schwersten, größten, teuersten usw. Kloß gehoben haben soll. Zum Beweis gab es ein Bild dazu. Um sich eine Vorstellung von der Größe des Kloßes zu machen war im Museum noch ein solcher überlebensgroßer Artgenosse aufgebaut. Diesen konnte man sogar begehen und von innen bewundern. Neben vielen Informationen gab es im Museum eine Modellwand, an der kleine Holzmännchen damit beschäftigt waren, Klöße herzustellen und diese auch zu essen. Ein kleiner Nachwuchs-Thüringer war damit beschäftigt, Holzklöße an der Wand nach oben zu kurbeln, die die ganze Maschinerie in Gang hielten. Im hinteren Teil stand eine Kloßprüfmaschine, an der sich Klaus natürlich sofort ausprobieren musste. Er schaltete sie ein und eine Gabel begann auf ihn einzustechen… Lange machte er das nicht mit und hielt die Gabel fest. Als es etwas verschmort roch, schaltete er das Gerät schnell wieder aus und machte sich aus dem Staub. Der vordere Raum war nun leer und die Kloßwand stand still. Eines der Holzmännchen sprach ihn an, ob er nicht mal ein bisschen drehen kann. Der das sonst immer macht, ist irgendwie verschwunden. Auf seinem Platz neben dem Trauerkloß sitzt er jedenfalls nicht mehr. Klaus willigte ein und drehte die Klöße nach oben. Nicht lange, da wurde ihm langweilig. Er versuchte sich davon zu machen, doch die Holzmännchen bestanden darauf, dass er weitermachte. Klaus hatte nun überhaupt keine Lust mehr und schlug den Holzmännchen einen Deal vor. Er versprach, Kuschel wieder hoch zu schicken. Zögerlich ließen sich die Männchen darauf ein.

Bevor Klaus wieder nach unten ging, probierte er noch die Oldtimer aus, die neben dem Kloßmuseum ausgestellt waren. Hier hatte er deutlich mehr Spaß als beim Holzklöße hochziehen. Nach einer Weile ging er wieder nach unten.

„Du Kuschel, da oben das ist ja ein wirklich verantwortungsvoller Job so als Museumsexponat. Da kann man sich ja richtig in Szene setzen. Das würde ich auch gern machen. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich deinen Platz als Exponat gern einnehmen.“

„HMM? HHMMM HHM! HMMMH HHHM!!! HHHMMMMHH!!!“

„Ist ja schon gut, war ja nur eine Frage, Selbstverständlich warst du früher da, es ist natürlich dein Platz. Aber solange du nicht dort bist, könnte ich doch..“

„HMMMH HHHM!!!“

Kuschel rannte panikartig nach oben. Und Klaus machte es sich im Regal bequem. Er hatte hier direkten Sichtkontakt mit dem Eingang. Jeder der hier herkam, musste nun an Klaus vorbei. Hier fühlte er sich wesentlich besser aufgehoben als oben, da er die interessantesten Gäste gleich unten abfangen konnte. Als der Abend kam, schlief er zufrieden in seinem Regal ein und dachte noch ein bisschen über Klöße nach. Er beschloss, noch einige Tage hier zu bleiben. Wer demnächst mal nach Heichelheim kommt, hat vielleicht das Glück, ihn in seinem Regal noch sitzen zu sehen.

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